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Geschichtliche Begebenheiten, sagt ein bekannter Spruch, ereignen sich zweimal: einmal als Tragödie, als Farce das andere Mal. Aber was, wenn das erste Mal bereits eine Farce war? Folgt dann die Reprise als Tragödie? Oder als Farce²? Vorerst noch bleibt Donald Trump (DT) Hauptprotagonist einer grotesken Farce. Ganz grundsätzlich: So einer wie DT, sowas wie die MAGA-Bewegung, kann nur in einer Gesellschaft/Kultur entstehen und reüssieren, deren Universalcharakteristika Bigotterie, Misologie und Raffgier sind. Dass Menschen sich nach Führer-Figuren sehnen, sich von „Ressentiments-Idealen“ (Friedrich Nietzsche) leiten lassen, ist nichts Neues. Richtig ist ferner: Der politische Trend geht weltweit nach rechts. Was den Trumpitalismus von anderen autoritären bis faschistischen Entwicklungen unterscheidet, ist das Ausmaß, in dem DTs Dummenfang und der politische Analphabetismus seiner Anhänger einander ergänzen und gegenseitig bedingen. Der Trumpitalismus ist nur möglich, weil eine gigantische dumbing down-Industrie sich eines tief in der kulturellen DNA verankerten Outlaw-Fetischs angenommen hat. DTs Erfolg verdankt sich dem Umstand, dass zig Millionen US-Amerikanern und -Amerikanerinnen – DT selbst eingeschlossen – die dumbed-down reality der Medien zu einer zweiten Natur geworden ist. (DTs eigener TV-Konsum hat absurde Dimensionen und absurde Folgen.) DTs Erfolg verdankt sich dem Umstand, dass die Diskrepanz zwischen technologischer und geistiger Entwicklung in keinem Land größer ist als in den USA. Der Grad der geistigen Entwicklung bemisst sich u. a. daran, zwischen Realität und Fantasie unterscheiden zu können und es nicht klasse zu finden, wenn jemandem, buchstäblich oder metaphorisch, die Fresse poliert wird. So wie zig Millionen US-AmerikanerInnen meinen, dass Wrestling echt und es überhaupt, wie beim MMA, eine tolle Sache sei, jemandem in die Schauze zu hauen, glauben zig Millionen AmerikanerInnen, DT sei ein Selfmademan mit geschäftlichen und politischen Killerinstinkten. Es passt schon – Only in America! –, wenn DT auf seinem Krönungsparteitag und während seiner Siegesansprache an prominenter Stelle Personen aus der fake world of wrestling und der Welt des MMA zu Wort kommen lässt. (Man muss sich das einmal klarmachen: Der Möchtegern-Diktator DT lässt sich seinen Ruf als tough and aggressive leader vor der US-amerikanischen Öffentlichkeit von Gestalten bestätigen, die ihre Expertise dem Spektakel verdanken, dass Männer sich gegenseitig, zum Schein oder in echt, die Visagen einschlagen. (In Mike Judges Filmsatire Idiocracy fungiert ein ehemaliger Wrestler und Pornodarsteller als US-Präsident. Tatsächlich dürfte das Schäferstündchen mit Stormy Daniels DT bei nicht wenigen männlichen Wählern noch beliebter gemacht haben.))


Natürlich war Kamala Harris Wall Street’s candidate. Dass selbst progressive Medien daraus folgerten, Harris wäre nicht besser als DT, ist irritierend. Ein ins Faschistische übergehender Kapitalismus – eben in Form des Trumpitalismus – ist schlimmer als der artifizielle woke capitalism à la Harris. Unter Harris’ Administration hätte es keine nennenswerten Veränderungen gegeben. (2019 versprach Joseph Biden vor der Wahl seinen Geldgebern: „Nothing would fundamentally change.“) DTs Racket jedoch wird sich daranmachen, einen klepto-kapitalistischen Faschismus oder faschistischen Klepto-Kapitalismus zu installieren. Wenn linke Kommentatoren diesen Unterschied ignorieren, mag das vielleicht daran liegen, dass sie mit den MAGAisten den Hass auf die liberalen Eliten, deren Kandidatin Harris war, teilen. Der gemeinsame Hass auf die liberal globalists wäre dann größer als die Bereitschaft, zwischen dem centrist neoliberalism der Demokraten und dem ethno-nationalistischen Faschismus der MAGA-Bewegung einen Unterschied zu erkennen. DT hat weder vor, sich der sog. Vergessenen und Unterprivilegierten anzunehmen, noch plant er, weniger imperialistisch zu agieren als die Neocons. Wer glaubt, DTs Politik werde die Lebensumstände der sog. Vergessenen und Unterprivilegierten verbessern und global zu mehr Frieden und Stabilität führen, muss von Sinnen sein. Diejenigen seiner Wähler, die zu den sog. Vergessenen und Unterprivilegierten gehören und sich genau das erhoffen, müssen von Sinnen sein.


Nach der für die Democratic Party so desaströsen Wahl liest und hört man, es sei wenig hilfreich, die Schuld für DTs Erfolg den Wählern zu geben. Korrekt ist: Niemand darf sich wundern, dass eine Partei, die ihre Wähler fortwährend im Stich lässt, irgendwann von ihren Wählern im Stich gelassen wird. Und doch zeugt es von fast krimineller Unzurechnungsfähigkeit, dass Abermillionen sich für eine Politik entscheiden, die ihren materiellen Interessen derart zuwiderläuft. (Ein apokryphes Churchill-Zitat lautet: „Wenn Sie ein gutes Argument gegen die Demokratie suchen, verbringen Sie fünf Minuten mit einem Wähler.“) DTs Anhänger, entsprechende Befragungen bestätigen das, sind für Abtreibungsrechte, bezahlten Mutter- und Elternschaftsurlaub, für die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, eine umfassende Gesundheitsversorgung etc. – und dennoch befördern sie mit ihrem Idol jemanden ins Amt, der dies alles kategorisch ablehnt. Womit wir wieder beim eigentlichen Problem wären: Mit DTs Wiederwahl ist die Verwandlung der US-amerikanischen Gesellschaft in eine reality TV- und social media-Gesellschaft abgeschlossen. Mit seiner Wiederwahl ist das, wovor Neil Postman vor fast 40 Jahren in Amusing Ourselves to Death gewarnt hatte, endgültig und unumkehrbar Wirklichkeit geworden: „How television [and social media] stage the world becomes the model for how the world is properly to be staged.“ Landesweit bekannt wurde DT als scheinbar sagenhaft erfolgreicher Immobilien-Tycoon in der Reality-TV-Show The Apprentice. Es ist dieses Image, das, trotz aller Hinweise darauf, dass er ein Serien-Pleitier und -Straftäter ist, unausrottbar persistiert und ihm ermöglicht hat, zwei Mal das Weiße Haus zu gewinnen. Das triviale Medienbild der Person DT – die mediale Fiktion der enter- und infotainment industry – überlagert jeden faktenbasierten Diskurs. Postman: „When a population becomes distracted by trivia, when cultural life is redefined as a perpetual round of entertainments, when serious public conversation becomes a form of baby-talk, when, in short, a people become an audience and their public business a vaudeville act, then a nation finds itself at risk; a culture-death is a clear possibility.“


DTs erneute Wahl ist der culture-death der US of A. Folgen werden der ökonomische und der politische Niedergang. Eine gute Nachricht ist das schon deshalb nicht, weil es auch dem Rest der Welt den Rest geben wird.

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